Freitag, 26. Oktober 2012

22.Juni - Zugspitz Supertrail 2012

0500MESZ in Leutasch, grüner Raum, Bett 1. Die Sonne kommt hinter einem 2500er hervor und lacht mich an. Check, check, check...Alles Gut.
Ich rüttele den Typen im Nachbarbett wach und brülle ihm ein „Guten Morgen“ entgegen. Mit einem Blinzeln quittiert er: „O.k., du startest dann wohl, was?“...JA:-)
Heiße Dusche, Rucksack mit Pflichtausrüstung und allem anderen gepackt, Frühstück und ab geht’s. Alle ins TIV und wir fahren zum Start, der ebenfalls in Leutasch ist.


Da stehen noch 350 andere Verrückte. Einer nach dem anderen wird nach Pflichtausrüstung durchgecheckt und dann darf man den gesperrten Startbereich betreten. Nervosität steigt auf Level 11 von 10. Es läuft ACDC, wie bei jedem guten Lauf und ich beschließe: „Das wird ein guter Tag.“
Dominik und ich gehen sehr weit nach vorn. Ich kenne mich und meinen Körper sehr gut und bin mir über die möglichen Leistungen sehr bewusst. Ich denke, da genau gehören wir hin.


Punkt 09.00 Uhr folgt bei Hells Bells der Start und es geht los mit Highway to Hell. Na dann...los geht´s, die wilde Maus fährt ab, die nächste Fahrt geht rückwärts...Woohoo
Bis zum ersten Checkpoint bei km 11, laufen Dominik und ich ca. 15 Minuten hinter der Spitze. Sicher zu schnell. Gehen kommt nicht in Frage.
Dominik und ich werden von einem ca. 70-jährigen Läufer angesprochen, ob wir den Lauf Überleben wollen. Ja, wollen wir. Dann sollten wir es langsamer angehen lassen, er wisse wovon er spricht.
Mit einem Kopfnicken beschließen wir genau darauf zu hören und die Bergauf-Passagen in Zukunft zu gehen. Eine wirklich kluge Entscheidung, die mich durch den Tag bringt. Wir rennen mit dem alten Mann einen Wurzelpfad entlang. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Es dauert echt lange bis wir ihn abgehängt haben. Wenn ich 70 bin will ich genau so fit sein.

Das Wetter ist einfach ein Traum, besser geht es nicht. Das sieht man auch den Gesichtern der Teilnehmer an. Alle haben ein Lachen auf dem Gesicht und ich führe so viele positive Gespräche. Ich habe ja Zeit. Mein Ziel ist immer noch Überleben....und...naja...ICH WERDE IM HELLEN ANKOMMEN!

Der erste richtige Berg liegt vor uns. Eine weibliche Trailgams hat uns bergab so gnadenlos stehenlassen, jetzt arbeiten wir uns wieder ran, es lohnt sich. Der Weg wird irgendwie immer steiler. Rechts und links stehen uns Kühe im Weg. Meine Tochter würde sich hier so wohl fühlen. Das erste Mal kommt eine tiefe Emotion hoch also fange ich wieder an zu laufen.
Es wird noch steiler und ich merke, dass Dominik sein 24 Stunden Lauf von München noch in den Knochen steckt. Ich renne hinter ihm und fummele nebenbei schonmal den Ipod aus der Tasche. Kopfhörer rein und an ihm vorbei.
"Ich warte oben", brülle ich noch und drücke auf Play. Es läuft ACDC, Shoot to Thrill...Ahhhhhhhh......violettes Brikett...auf Geröll und Schotter geht es in Serpentinen auf den höchsten Punkt der Strecke. Es ist kalt, feucht, neblig und einfach geil...Brüllen, Foto, kurz warten, nochmal Brüllen, noch ein Foto und Sven und Dominik sind da.




Ich lasse sie bergab schon mal vorlaufen und genieße den Moment da oben ganz allein. Nach ein paar Minuten wird mir kalt und ich kann die anderen kaum noch sehen.
Flamme an! Ipod lauter! Bergab. Nach kurzer Zeit laufe ich auf die Gruppe mit Sven und Dominik auf. An einem Schneefeld sind sie mir irgendwie alle gerade im Weg. Kleiner Sprung und links vorbei über ein Geröllfeld und dann ist die Bahn frei.
"Ich warte unten", umgedreht habe ich mich nicht mehr, Bergablaufrausch. Schneefelder, Geröll und Schlamm. Ein grimmiger Trailrunner will mich nicht vorbeilassen. Ich warte auf den passenden Stein und springe an ihm mit einem lauten "Woohoohoohoooo" vorbei. Der Mann kann ja doch lachen:-) und er bleibt dran.
Auf dem Boden stehen auf einmal rechts und links Kameras. Also wieder springen und schreien. Hat das Spaß gemacht.



An ein Schlammfeld erinnere ich mich besonders. Der Schuhsohleneindruck von ca. 100 Salomon Speedcross 2 und 3 hat sich von oben nach unten quer, ca. 10m lang, in den Schlamm eingedrückt. Wo ist der Fotograf von Salomon. Ein geileres Werbebild kann ich mir nicht vorstellen. Der Schlammhang ist seitlich und steil. Von den 700 Läufern die hier durchmüssen haben sich sicher 99% auf den A.... gelegt. Ich war dabei.
Als es wieder sehr steil und trailig wird kommt mir der Chefredakteur und Herausgeber vom Trail-Magazin entgegen. Denis läuft natürlich bergauf. Bergab kann der sicher gar nicht. Wir schlagen ein, er wünscht mir Spaß und Erfolg und ich renne noch aufgekratzter die steilen Serpentinen bergab.
Unten erwartet mich eine Foodstation. Es gibt Kuchen, Suppe, Chilli mit Nudeln, Riegel, Früchte und High5Nutrition. Alles geht in meinen Körper rein.
Status: Unbesiegbar!


Nach ca. 20 Minuten Pause, in der ich gefühlt nur gegessen habe, laufe ich wieder los. Die anderen sind noch nicht da.
Jetzt rächt sich die Fressattacke an der Foodstation. Die einzige Gerade auf der ganzen Strecke. Ca. 8 km lang. Hälfte Forststraße, Hälfte Straße. Hier kann man richtig Zeit gutmachen. Ich nicht. Ich schleppe mich mit Kohlenhydratkoma durch das Leutaschtal zur Geisterklamm. Die Geisterklamm kann ich nicht genießen. Sicher ist die echt schön aber ich fühle mich absolut im Keller und quäle mich über den Asphalt.
Hinter der Geisterklamm ist die Foodstation km 35. Hey...über die Hälfte ist geschafft, ab jetzt geht es rückwärts...Viel wichtiger: Die Foodstation ist lila und hat Milka Aufdruck...SCHOKOLADE, KUCHEN, RIEGEL...ich weiß leider erst heute warum es mir an dem Punkt so schlecht ging, also habe ich mal wieder gegessen bis nichts mehr ging. War ja auch lecker.
Direkt im Anschluss folgt ein mächtiger Anstieg. Stöcke raus und los geht´s. Neben mir schleppen sich Läufer ohne Stöcke auf den Knien nach oben. Das sieht echt nach Qual aus. Mir geht´s anscheinend doch noch besser als den meisten hier. Das gibt Auftrieb und bringt mich nach oben.
Über Forstwege von Foodstation zu Foodstation. Zwischendrin lerne ich ein paar echt nette Leute kennen. Besonders hervorheben möchte ich hier Steve. Auch ein Trailrunner mit eigenem Internetblog
 - nebenbei mal Danke an dich, du bist einer der zwei Monsterblogger die mich endgültig hierzu gebracht haben. Einfach schön zu lesen und bedingungslos zu empfehlen www.uptothetop.de 

Nach Verlassen der Marathondistanz kommen immer mal wieder mächtig Emotionen in mir hoch. Ich kann die Alpspitze sehen und ich laufe straight auf die grün/graue Wand vor mir zu.
Dann kommt der Anstieg. Trail, Bäume, Serpentinen, Laufen nahezu unmöglich. Ich kämpfe mich in 15 Minuten Etappen den Berg im Wald hoch. Meine Pausen animieren auch andere einfach mal anzuhalten. Toll ist, wenn 3 Trailer ihre Höhenmeterangaben vergleichen. 3 Leute, 6 Anzeigen, 6 verschiedene Angaben. Hinterher der Spruch:"Ach Scheiß doch drauf, wir müssen ja eh hoch!" Auffi...
Von oben höre ich meinen Namen. Ich krieche gerade unter zwei Baumstämmen durch. Da, schon wieder ein Ruf...diesmal mit dem üblichen "Woohoo" hinterher. Brockenbahn gibt es hier nicht also bleibt nur noch eine Möglichkeit. Ja, Thorsten wartet im Hang zwischen ein paar Bäumen. Mit ihm gemeinsam laufe ich die letzten Meter diesen Trail hoch und sehe für das Gipfelfoto an der Foodstation wieder einigermaßen passabel aus. Ca. 18 km noch. Diese Foodstation muss ich noch einmal anlaufen. Jetzt geht es rauf und um die Alpspitze und dann sind es nur noch 12 von hier aus.

Foodstop VOR der Alpspitze

Rauf

Oben

Abwärts

Endlich wieder essen, nanu - hier war ich doch schonmal

Für diese knapp 6 km brauchen wir, inklusive 2 Pausen fast 2 Stunden. Ich hätte mich nicht hinlegen, zudecken und dabei vollfressen sollen. Es muss weitergehen. Wieder essen und jetzt geht´s bergab.
Ich kann nicht mehr reden. Der Ipod dröhnt irre laut aber ich will nix hören. Ich tanze den Trail nach unten. Voll aufgekratzt. Ich will auch nicht mehr telefonieren oder Fotos machen. Ich will einfach nur weiter. Steve rennt an mir vorbei und brüllt sich bergab.
Ein Fotograf! Stephan vom Trail-Magazin. Na, der ist hier auch bergauf gelaufen und genießt den langsamen Sonnenuntergang.



In einem letzten Aufbäumen sage ich es diesmal laut:"ICH WERDE IM HELLEN ANKOMMEN!" Das hatte ich morgens schon so beschlossen als ich die Stirnlampe nach ganz unten unter die komplette Pflichtausrüstung gesteckt habe. Mit dieser Manifestation nach außen setze ich mich einfach mal ein bisschen unter Druck-kann nie schaden...Check...Im Hellen ankommen.
Überall in den Bergen sind kleine Feuer mittlerweile an. Hier sitzt die Bergwacht und feiert "Zugspitze in Flammen"...das ganze Bild kann ich erst später von unten sehen, einfach schön. Die Jungs sind superfreundlich und lachen sich tot wenn ich ihnen zurufe, dass ich es im Hellen schaffe aber ich trotzdem dankbar bin, dass sie da sind.

Ab und an soll ich gemurmelt haben:"Wenn ich das Noch5km-Schild sehe dann beiße ich rein!"...Das Schild kommt, der Gedanke bahnt sich seinen Weg zur Handlung und wird ausgeführt.



Ein letzter steiler Abstieg und dann kenne ich die Strecke vom Vorabend. Höchstens noch 2 km. Ich hole nochmal alles aus meinem Körper raus. Das fühlt sich nicht mehr nach viel an aber das täuscht wohl.

Ach ja, es ist noch hell:-).

Raus aus dem Wald und rauf auf die Straße in Richtung Zivilisation.
Die ersten Häuser und auch die ersten Menschen. Alle sitzen in ihren Gärten und freuen sich über uns.
Das Lachen ist eingemeißelt und ich bin völlig überwältigt von allem hier. Kinder an der Straße die ihre Hände ausstrecken. Natürlich klatsche ich ab. Der Weg ist mit Teelichtern in Einmachgläsern markiert und führt in die Arena.

Es ist immer noch hell.

Letzte Kurve, das Ziel und DURCH mit einer Rolle...Woohoohoohoooo...Der Fotograf lacht sich kaputt und der "Detlef" der ein Matze ist wird nach 12:11:15 gefeiert.
Hinter mir kommt der zweite Ultratrailer ins Ziel. Ein gemeinsames Foto und dann muss ich einfach erstmal weinen....kann auch sein, dass ich das schon die ganze Zeit gemacht habe;-)...

Im Ziel steht Verpflegung. Ein Becher voll Blaubeerjoghurt wird von mir mit einem halben Becher salzigen Nüssen verfeinert und dazu gibt es heiße Suppe. Jetzt darf die Sonne untergehen und das macht sie auch.
Ich bin monsterglücklich aber auch total leer und voll zugleich.

Ach ja...Ich hatte ja Freitag Abend in einem Anfall von Größenwahn schon einen Termin zur Massage gemacht. 20.00 Uhr habe ich zwar nicht eingehalten aber ich geh einfach mal fragen. Bei 70km Fußweg bis zur Massagepraxis kann man sich ja wohl mal um ´ne Stunde verschätzen, oder?
Die Mädels erkennen mich wieder und nehmen mich sofort auf die Liege. Dann werde ich vom Outdoor-Physio-Team hervorragend massiert. Im Anschluss machen wir gleich noch ein paar Werbefotos mit einem Back-Foam-Roller für ihre Homepage. Toll:-)

Thorsten hat in der Zwischenzeit ein Bier besorgt und wir wollen Pizza essen...Ich will, Ich will, Ich will...aber wir wollen auch auf die anderen warten. Die sind noch nicht da. Die heiße Dusche lässt mich irgendwie gar nicht wieder raus. Bei jeder Bewegung schmerzt der ganze Körper. Ein genauer Punkt lässt sich nicht definieren. Alles ist Schmerz. Insbesondere die riesige Blase unter meinem rechten Fuß. Ich hatte bergab das Gefühl, dass Blut aus meinem Schuh laufen müsste. Ich habe mich ab und an umgedreht um zu schauen ob ich Spuren hinterlasse. Den Schmerz hatte ich allerdings wohl irgendwie verdrängt.

Als Dominik und Sven ca. 2 Stunden nach mir ins Ziel laufen, haben die Pizzerien leider alle schon zu. Das Bier habe ich immer noch nicht geschafft. Die Nahrungsauswahl auf dem Gelände ist nicht besonders groß. Thorsten und ich fahren nach Garmisch zum schottischstämmigen Amerikaner. Ich kriege jedoch kaum etwas runter. Ich will einfach nur liegen.
Bei unserer Rückkehr trifft auch Thorsten Waldmann ein. Auch er ist noch im 17 Stunden Zeitlimit des Veranstalters geblieben.

Zugspitze in Flammen...so sah das Ganze dann von unten aus...Traumhaft


Wir sind uns alle einig, dass das erstmal nicht zu toppen sein wird. Nächstes Jahr ganz sicher wieder. Insgeheim habe ich mich für 2013 allerdings schon mit der Ultrastrecke auseinandergesetzt. Ich will so einen Rucksack und das rote Shirt und das bekomme ich auch. Ich bin mir sicher, dass es unheimlich hart wird und die Nummer mit dem "Im Hellen ankommen" ist da auch sehr fraglich. Egal. Der Start ist ziemlich sicher.

Downhill, schneller als das Licht


Ein großartiger Tag!
Danke Mr. T.
Den Gipfel bildete dann das Werbevideo des Veranstalters wo ich mit Thorsten beim Downhill imSonnenuntergang und beim Abklatschen mit den Kids bei ca. 1:22 zu sehen bin. Die Szene wäre mir ganz sicher auch ohne das Video im Gedächtnis geblieben. Einfach toll.
Achtung! Das Ansehen des Videos beinhaltet die große Gefahr von Nachahmungswut!

Veranstaltungsvideo Zugspitz Ultratrail 2012

Mit sportlichen Grüßen, Euer Matze

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Juni 2012 – Der Weg zum ersten Ultra

Zurück aus Schweden genieße ich noch 2 Tage mich endlich wieder laufend bewegen zu können und ich habe Geburtstag.
Beim Aufwachen stelle ich fest, dass ich heute 34 Jahre alt werde.
Ich fühle mich gut, habe frei und beschließe meine Lebensjahre heute abzulaufen. Jedes Einzelne.
Michael Neumann und seine Frau Susanne, beides auch Cabanauten, organisieren mit ihrer Agentur „Indie Trail“ Ultralaufveranstaltungen und andere verrückte Läufe. Die beiden haben eine superschöne Trailstrecke im Harz direkt vor meiner Haustür für einen ihrer Ultraläufe herausgesucht. Den Eulenburgtrail. Gestartet wird jedes Jahr am Vatertag. Eine Runde sind 32 km mit 1111 hm. Von mir zu Hause wird das schon passen mit den 34...also los.
Die Jungs beim Eulenburgtrail laufen die Strecke 5 mal hintereinander am Stück. Reden wir lieber nicht darüber:-) Ich war am Vatertag als Zuschauer da. Die Läufer schauen dich nach 96 km an und sehen aus als würden sie jetzt erst starten. Eine Gpx-Datei der Strecke ist auf der Homepage hinterlegt und ich kann sie nur wärmstens empfehlen..
Es geht erstmal 11,5 km ausschließlich bergan. Laufen erscheint auf dem nassen Untergrund des „Nassen Weges“ zur Hanskühnenburg teilweise unmöglich. Nach gut 1:20 bin ich oben und genehmige mir in der HK einen heißen Pfefferminztee. Hier oben sind lausige 8 Grad und es ist wie immer feucht und windig.
Ich schwöre, dass ich am Tag zuvor noch jünger aussah

Wieder runter über einen tollen Trail zur Vorsperre der Sösetalsperre und auf der anderen Seite ebenfalls einen Trail wieder 3 km rauf. Es geht über Forstwege weiter, bergauf und bergauf und bergauf. Die restlichen 10 km sind ein trailiges steiles Auf und Ab wie man es sich nur wünschen kann, rechts und links der Ortschaft Lerbach.
Wieder zu Hause folgt ein Blick auf das GPS. 33,6 km. Naja...ich fühle mich ja jetzt auch nur wie 33,6 Jahre...reicht also...kurzer Saunagang im Studio und der Körper ist wieder mein Freund....ich überlege mir allerdings ernsthaft, ob ich wirklich die avisierten 101 Jahre alt werden will???

Am nächsten Tag bekomme ich die Quittung für die lange Pause auf der Burg, die ich natürlich leicht fröstelnd im Freien verbringen musste, bin ja so ein Outdoortyp. Ich bin erkältet. Schei...., das kann ich überhaupt nicht gebrauchen, für´s Kranksein habe ich generell keine Zeit.
Am nächsten Wochenende soll doch der Harzer Keiler Run starten. Ein 21 km Extremcrosslauf direkt vor meiner Haustür. Das geht gar nicht da nicht mitzumachen!
Ich gebe meinen Körper 2 Tage Zeit die Erkältung loszuwerden. Der denkt aber nicht daran, sondern bleibt stur krank und wird kränker. Ich bin die ganze Woche auf Fortbildung und brauche mich somit um Sport eh nicht zu kümmern. Lange Arbeiten, viel schlafen. Hilft aber nicht.
Am Donnerstag beschließe ich mit einem Funken Vernunft, am Sonntag nicht zu starten. Ich stelle meinen Startplatz bei Facebook zur Verfügung. Es kommen ein paar Anfragen, was er koste. Meine Antwort besteht aus einem: „Nix. Den hab ich bezahlt und stell ihn zur Verfügung. Hauptsache das Shirt in XS passt dir auch.“
Die Antworten darauf sind ausschließlich verwundert. Warum? Egal.

Freitags geht es mir einigermaßen gut. Startplatz ist noch nicht weg. Hmmm...Vernunft? Auch weg:-).
Dominik ruft mich an und ich verspreche ihm beim Bau eines Hindernisses und Aufbau der Umzugszelte für den Keilerrun zu helfen. Ich bin zwar die ganze Woche nicht da aber irgendwie scheint niemand sonst genau dafür Zeit zu haben. Mach ich doch gern, 2 Stunden hab ich sicher.
Als ich ankomme, ist das Hindernis bereits fertig. Eine Flussdurchquerung mit einem Seil gesichert, anschließend ein Kletterhindernis und direkt danach ein Kriechtunnel mit ´ner Menge Brennnesseln. Ich brauche nicht zu erwähnen was dieser Anblick bei mir auslöst: Rein, durch, hoch, runter, durch, Woohooo brüllen!
Beim Zeltaufbau erzählen mir Sven und Dominik vom 24 Stunden-Lauf in München am Wochenende zuvor. Sie seien mit 2 weiteren Läufern völlig ohne Plan da hingefahren, hätten jeder ca. 60 km gelaufen im Olympiapark und seien in der Gesamtwertung dann 2. geworden. NEID!!! Wo war ich? Ach ja...bin ja immer noch krank.
Die beiden setzen noch einen drauf. Sie erzählen mir, dass beide am nächsten Wochenende den Zugspitz Ultratrail laufen wollen. Mehr NEID. Zwar nur die „Bambini-Strecke“, 68,8 km mit 3600 hm, aber trotzdem unglaublich. Die Augen leuchten. 
Ich hatte mit Sven darüber letztes Jahr gesprochen, es allerdings für mich abgelehnt. Dieses Jahr wollt ich mich lieber auf den Triathlon im Juli konzentrieren. Selber Schuld.
Ich gebe Dominik noch mit auf den Weg, dass er mich anrufen soll, wenn jemand absagt. Ich hätte das Wochenende ja eh frei. Mit einem Lächeln quittieren wir beide diese Übereinkunft. Ich glaube, ernst nimmt das keiner von uns...oder doch?.

Samstag morgen. Der Körper gibt mir nochmal die volle Breitseite der Erkältung. Ich liege endgültig flach. Der Baum wurde gefällt. Kopf, Hals, Körper, Augen, Nase, selbst die Füße tun weh. Die Idee morgen zu starten ist erledigt.
Den Start des Keilerruns am Sonntag um 11 warte ich bei einem langen Frühstück ab. Um Punkt 11 fahre ich zu Hause erst los, damit ich nicht weine, wenn meine ganzen Freunde sich diesen saumäßigen Spaß gönnen.
An der Strecke sehe ich sofort viele Bekannte unter den Zuschauern. „Warum läufst du denn nicht?“, „Was machst du denn hier ohne Laufsachen?“, „Bist du schon fertig?“...Ich kann kaum laufen, so schlecht geht es mir aber ich will Olaf und Thorsten wenigstens mal sehen...also an die Strecke.
Auf dem Weg zum schönsten Hindernis kommt mir mein Olaf entgegen. Er ist patschnass, er blutet am Bein, schaut wie immer tödlich verbissen und grimmig und zeigt mir mit diesem Todesblick wie sehr er sich freut mich zu sehen. Ich werde umarmt. Er stinkt nach Jauche und toten Tieren...Danke, ich jetzt auch. Bis gleich, 2 Runden muss er noch:-)...auch wenn es irgendwie schräg klingt, ich bin neidisch auf diesen Geruch.
Zwischen ein paar Fischteichen ist ein Wasserhindernis aufgebaut. Über einen hüfttiefen, ca. 100 m langen schlammgefüllten Graben müssen die Teilnehmer über eine Leiter ein ca. 2 m hohes Podest erklimmen. Von dem springt man in einen Fischteich, dann in den nächsten, taucht unter 2 Baumstämmen durch, schwimmt noch ein paar Meter und kann dann weiterlaufen nachdem man noch über eine 2 m hohe Wand geklettert ist. Hier stehen eine Menge Zuschauer und jetzt auch ich. Der einzige Unterschied ist: Bei mir fehlt das Krombacher und die Bratwurst in der Hand.
Ich sehe Peter Brause und Lana Rockmann, zwei Cabanauten, in Deutschlandfan-Montur und Strapsen durch den Schlamm auf mich zurobben. Woohooo...schön euch zu sehen...und noch so viele andere bekannte Gesichter.
Dann kommt Thorsten. Ein tolles Bild noch auf dem Podest und dann wirft er sich brüllend in die Fluten. 

Kurzer Tränenanflug, warum mache ich doch gleich nicht mit???...Terminator-Statusabfrage im Körper. Ergebnis: Geht einfach gar nicht...roter Bildschirm.
Als Olaf kurze Zeit später kommt, laufe ich mit ihm 500 m mit. Danach ist meine gesamte Energie aufgebraucht und die Brennstoffzelle leuchtet rot auf. O.K....wandern bis ins Ziel.
Thorsten und Olaf sind beide sehr weit vorn gelandet. Mit mir wären wir in der Teamwertung direkt hinter dem GettingTough-Team auf dem zweiten Platz gelandet. 
Alle noch einmal gedrückt und dann Abreise. Nächstes Mal ganz sicher.

Auf dem Parkplatz seh ich dann noch den Teamcaptain vom GettingTough-Team. Den Kallinator, noch ein Michael. Ein Facebook-Freund ohne ihn bislang persönlich zu kennen. Eine Maschine. Auch Polizist, wie sich bei einem Gespräch herausstellt, wir werden uns ganz sicher noch oft sehen. Spätestens am 01.12. beim gettingtough-race .

Dienstag morgen, kurz vor acht, im Büro. Das iPhone macht auf sich aufmerksam und das Photo von Dominik erscheint auf dem Bildschirm.
Kurzer Körpercheck: „Noch nicht viel besser aber für´s weiter krank sein ist keine Zeit.“Check.
Ich nehme ab und sage als allererstes: „Ja, ich bin dabei!“ Dann erst kommt ein „Hallo“. 
Ich hatte recht mit dem Anruf. Ich soll mit zur Zugspitze. Es ist alles bezahlt, Hotel ist gebucht, alles steht, Donnerstag geht’s los.
Donnerstag und Freitag wird Überstundenabbau vereinbart und dann ruf ich Thorsten an. Ich versuche ihn wirklich zu überreden mit mir mitzulaufen. Aber ich bleibe erfolglos. Begleitung wird mir allerdings widerstandslos zugesichert. Er kommt also mit. Als moralische Stütze, die ich ganz sicher brauchen werde.

Donnerstag ist Abfahrt. Die Zugspitze ruft. Treffen wollen wir uns in unserem Urlaubsrefugium „aufatmen“ in Leutasch auf der österreichischen Seite des Wettersteingebirges. Ein Yoga-Hotel in dem man einfach mal „sein“ soll. ...ich bin sehr gespannt...
Vor Ort sind bereits Thorsten W., Sven und Dominik. 
Wir beide treffen gegen 23.00 Uhr ein und beziehen unseren „grünen“ Raum, der uns noch ein bisschen mehr aufatmen lassen soll. Die anderen haben einen „gelben“ Raum. Der beeinflusst ganz sicher den Energiefluss auch sehr positiv.
Wasser gibt es aus einer Karaffe voll mit Amethystgestein. Auch dieses dient der Mineralstoffaufnahme inklusive positiver Energie....aha...Bei mir wirkt das dann ungefähr so als wenn man Kerosin in ein Feuer schüttet...Mir geht es immer noch nicht gut aber jetzt wird erstmal geschlafen. Ich verspreche weiterhin nur zu laufen wenn ich wirklich gesund bin.
Das Frühstück ist ´ne Wucht. Es gibt Jentschura´s Morgenstund, frisch aufgekocht mit frisch klein geschnittenen Früchten. Dazu ein Ei der Wahl, eine riesige Käseauswahl und natürlich Kieselsteinwasser in allen Energierichtungen. Ich wähle „Kraft“ und „Stärke“ ( wie war das mit dem Kerosin??? ) und bin äußerst zufrieden mit meiner Entscheidung hier her zu fahren. 
Die jungen Herbergsinhaber setzen sich mit an den Frühstückstisch und fragen ehrlich interessiert  unsere Motivation zu diesem Lauf ab. Wir sind einhellig der Meinung, dass allein der Lauf selbst schon Motivation bedeutet.
Die Jungs sind supernett und es kommt natürlich die Frage: „Was hast du dir vorgenommen?“ 
Meine Antwort heißt: „Überleben!“ Ohne Training und mit der Erkältung steh ich noch eher vor der Entscheidung überhaupt zu laufen...abwarten.
Monster: v.l.n.r.: Me, Der Zugspitzrunner, Dominik, Thorsten W., Sven W.

Erstmal schauen wir uns den Rest der Pension hier an. Der absolute Hammer. Alles neu und superschön. Ökologisch, ökonomisch und auch noch nett. Eine Erdsauna und ein traumhafter Saunagarten runden das Refugium komplett ab. 
Direkt nebenan hat ein Biobauer ein Restaurant aufgemacht. Hier ist ebenfalls alles sehr natürlich und Preis und Auswahl ganz weit vorn. Immer wieder genau hier her bitte.
Die Akkreditierung hat Dominik schon übernommen. Ummelden lassen wollte man mich nicht also starte ich halt unter dem Namen des Absagers. Hallo Detlef - du warst gut:-)

Für den kleinen 5 km – Schnuppertrail am Abend melde ich mich allerdings noch selbst unter meinem Namen an. 
Petzl Night-on-Trail. O.k....In der Pause des EM-Spiels von Deutschland gegen ??? starten knapp 100 Trailrunner im Dunkeln mit ihren Stirnlampen. Ein toller Lauf der echt Spaß macht. Die Strecke geht über Treppen, Hügel, Steine und Singletrails rund um Hammersbach/Grainau. Mit knapp unter 20 Minuten komm ich als 10. ins Ziel, Thorsten kurz nach mir. Die anderen drei haben sich von mir nicht überreden lassen.
Ich  fühle mich gut und bin dem morgigem Lauf einen Schritt näher. 
Start des Petzl Night on Trail 5K

Dies war ein Test meiner Lauffunktionen. Puls blieb gut, Körper fühlt sich gut an aber zu 100 % steht mein Start immer noch nicht fest. Ich verspreche noch bis zum Morgen zu warten.

Mit sportlichen Grüßen, Euer Matze